Tod in den Flammen
Rätselgeschichte für Erwachsene
Ein tödliches Feuer in der Kleinstadt Marble Rock – und ein Mann, den niemand vermissen wird. Als Sheriff Bill Wilkins den verkohlten Körper in den Überresten eines abgebrannten Hauses findet, scheint der Fall klar: ein tragischer Unfall oder vielleicht sogar Selbstmord. Doch dann ergeben sich Zweifel. Je tiefer Wilkins gräbt, desto dunklere Geheimnisse kommen ans Licht! Diese Rätselgeschichte für Erwachsene können Sie am Ende dieser Seite als PDF-Datei mit Lösung kostenlos downloaden.
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Rätselgeschichte für Erwachsene
Tod in den Flammen
Spannende Krimigeschichte mit Lösung zum Ausdrucken
Bill Wilkins hatte schon viele Leichen gesehen, doch diese hier löste eine gewisse Erleichterung in ihm aus. Der Körper des Toten, der vor ihm auf der Bahre lag, war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, genau wie der Rest des Hofes, aus dem er geborgen worden war. Kein schöner Anblick. Das Feuer hatte die ganze Nacht über gewütet. Gut möglich, dass es sich bei der Feuerleiche um die Überreste des alten Oscar Russel handelte. Die Welt, dachte Sheriff Wilkins, ist besser ohne ihn dran.
„Okay, danke. Macht den Sack zu und bringt ihn weg“, wies Wilkins die anderen an und kreuzte auf dem Formular erst „ungeklärte Todesursache“ an und direkt darunter „Autopsie“.
Zwei Streifenpolizisten halfen dem Fahrer des Leichenwagens, die Bahre mit dem Sack darauf in das Fahrzeug zu schieben. Als sich der Wagen schließlich in Bewegung setzte, wirbelten die Reifen jede Menge Staub auf, der sich mit den dichten Wolken am Himmel zu vermischen schien. Unvermittelt vernahm Wilkins ein kehliges Husten neben sich und fuhr herum. Es war Pete Johnson, einer der Detectives, die sie diesem Fall zugeteilt hatten.
„Hey, Billy, alter Junge, endlich mal was los in deinem Bezirk, was?“ Johnson lachte spöttisch und schlug Wilkins auf die Schuler. „Hast deinen Laden wohl nicht im Griff, was?“
„Tja, so ein Feuer hatten wir in Marble Rock seit Ewigkeiten nicht“, erwiderte Wilkins.
„Ein Toter, richtig?“
„Ein Toter“, bestätigte Wilkins. „Könnte der alte Oscar Russel sein.“
„Oscar wer?“ Johnson sah ihn fragend an.
„Russel. War zumindest sein Haus. Hat hier seit dem Tod seiner Frau vor zehn, zwölf Jahren alleine gelebt. Ein unangenehmer Kerl. Hatte ihn zwei, dreimal im Sheriffs-Departement, weil er seine Nachbarn anzeigen wollte. Einmal hat er erzählt, die Kinder von gegenüber hätten ihm sein Kaminholz gestohlen. Dabei hat er gar keinen Kamin.“
Johnson zog die Brauen hoch und sah hinüber zu der dampfenden Ruine. „Also kein Unfall?“
„Keine Ahnung, vielleicht hat er seiner Sache auch selbst ein Ende gesetzt …“
Ein anderer Detective, den Wilkins nicht kannte, bat um Johnsons Aufmerksamkeit. Die beiden Männer verabschiedeten sich und Wilkins richtete seinen Hut. Es war an der Zeit, einen Blick ins Innere des Hauses zu werfen; oder das, was davon übrig war.
Marble Rock war der Inbegriff eines Kaffs, wie man es sich in Iowa vorstellt – eine Siedlung inmitten von endlosen Mais- und Weizenfeldern, in der die Häuser mit großem Abstand zueinander erbaut worden waren. Wer seinen Nachbarn hier aus dem Weg gehen wollte, hatte keinerlei Probleme. Wer allerdings Streit suchte … nun, der wird ihn überall finden, dachte Wilkins. Russels Haus war das Zweite an einem Feldweg, der von der Landstraße abging. In der Nähe gab es drei Nachbarhäuser – es machte wohl Sinn, dort später einmal anzuklingeln. Neben der Ruine stand Russels Geländewagen. Er war völlig unversehrt, doch es fehlten die Schlüssel. Hinter dem Haus bemerkte Russel Reifenspuren. Sie stammten definitiv von einem Fahrzeug, das nicht mehr hier war.
Wilkins betrat die Ruine und stapfte durch die dampfende Asche. Es stank nach Rauch. Von dem Haus war nur noch das verkohlte Holzgerippe des Erdgeschosses übrig, die Balken waren pechschwarz. Wände, Möbel, Böden – die Flammen hatten alles verschlungen. Keine Chance, dachte der Sheriff, hier gibt es nichts zu finden. Doch dann erblickte er ein Funkeln in der Asche, bückte sich und zog einen metallischen Kerzenständer hervor. Die Stelle lag direkt am Fundort der Leiche. Ob die Kerze wohl umgekippt ist, während Russel geschlafen hat?, dachte der Sheriff. Er verließ die Ruine und warf einen Blick auf den Geländewagen. Er war verschlossen, aber der Kofferraum hatte eine Beule und als Wilkins dagegen drückte, sprang er plötzlich auf. Er kroch von hinten in den Wagen und entdeckte einen Kassenzettel im Fußraum. Offenbar hatte Russel gestern eine Packung Schlafmittel im örtlichen Drug Store gekauft. Ein Indiz für Selbstmord?
Als der Sheriff wieder aus dem Auto stieg, bemerkte er einen hochgewachsenen Mann, der abwechselnd auf ihn, dann auf die Ruine starrte.
„Und Sie sind?“, knurrte Wilkins.
„Oh, ähm, sorry, mein Name ist Trevor Barns, ich wohne gleich nebenan.“ Er deutete auf das Farmhaus nahe der Landstraße. Mehrere Silos ragten daneben in den Himmel.
„Kannten Sie Oscar Russel?“
„Na ja, er war ja mein Nachbar. Aber ganz ehrlich: Ich bin froh, dass er nicht mehr ist. Soll man ja nicht sagen. Aber dieser Mann ist weiß Gott kein Verlust für diese Welt. Hat meine Kinder bezichtigt, ihm Holz geklaut zu haben und lauter solche Dinge.“
„Ja, ich erinnere mich an die Geschichte.“
„Und dann war da noch die Sache mit meinen Rindern letztes Jahr. Zehn von den Viechern sind von heute auf morgen qualvoll krepiert. Jemand hat sie vergiftet. Ich kann’s nicht belegen, aber ich schwöre Ihnen, dieser verfluchte Russel hatte was damit zu tun.“
Wilkins sah ihn prüfend an. „Was den Brand angeht: Glauben Sie, jemand hat nachgeholfen?“
Barns zuckte mit den Schultern. „Ich war’s jedenfalls nicht, falls Sie das meinen. Ich war die ganze Nacht zuhause, meine Frau kann’s bezeugen.“
Sie plauderten noch kurz und Wilkins machte sich einige Notizen. Dann zog er weiter. Zwei Nachbarn waren noch übrig. Als nächstes nahm der Sheriff sich Meryl Taylor vor, eine ältere Frau, mit der er schon ein, zwei Mal zu tun hatte. Taylor wohnte in einem gepflegten Holzbau mit bunten Geranien im Vorgarten. Nach dem Klingeln dauerte es eine Ewigkeit, bis Taylor öffnete. Sie hatte es mit den Gelenken, meinte Wilkins sich zu erinnern.
„Ach, Sheriff, was machen Sie denn hier? Ich dachte, Sie müssen sich um das Feuer kümmern.“
„Genau deswegen bin ich hier“
„Der arme Oscar … Die meisten kannten ihn ja gar nicht richtig“, sprudelte es aus ihr heraus. „Ich jedenfalls kam immer gut mit ihm aus. Hat mir erst gestern Schlafmittel mitgebracht, ich habe es ganz schlimm mit meiner Arthrose und kann kaum raus, wissen sie.“
Der Sheriff machte ein überraschtes Gesicht. Hat der alte Stinkstiefel also doch einen Funken Nettigkeit an sich gehabt, dachte er. „Offengestanden, Miss Taylor: Die anderen Nachbarn denken anders über ihn. Glauben, Sie, jemand hätte …“
Die alte Frau brach in krächzendes Gelächter aus. „Als ob ihn deshalb jemand umbringen würde! Er konnte schon abweisend sein, das gebe ich zu. Aber warum sollte jemand das machen? Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.“
„War er vielleicht depressiv oder irgend sowas?“
„Der? Keine Spur. Er war zwar ein alter Griesgram, aber mit sich selbst im Reinen.“
„Was glauben Sie, was passiert ist?“
„Bestimmt ein Unfall. Wissen Sie, Sheriff, ich bin jetzt 76 Jahre alt und habe in meinem Leben schon so viele Feuer in der Gegend erlebt. Eine umgekippte Kerze, eine heruntergefallene Zigarette … das geht so schnell.“
Wilkins bedankte sich, richtete seine Hutkrempe und stapfte hinüber zum letzten Nachbarhaus; ein heruntergekommener Hof mit mehreren uralten Traktoren, die vergessen unter einem Unterstand vor sich hin rosteten. Der Sheriff klopfte und ein alter, bärtiger Mann öffnete die Tür. Er schien auf irgendetwas herum zu kauen. Wilkins kannte ihn nicht.
„Guten Tag Sir, ich bin Sheriff Wilkins und ich untersuche die Umstände, die zu dem Feuer heute Nacht geführt haben.“
„Feuer? Wasn fürn Feuer?“, grunzte der Alte. Aus seinem Haus drang ein muffiger Geruch, wie er sich oft in alten Häusern einnistet.
Wilkins deutete in die Richtung der Ruine, obgleich man sie von hier nicht direkt sehen konnte. „Oscar Russels Haus.“
„Oh, is‘ er …“
„Er ist tot.“
Der Alte sah zu Boden und schüttelte den Kopf. Dann grunzte er erneut und sah Wilkins aus seinen alten Augen an. „‘nen verdammtes Feuer, sagten Sie? Das is‘n Unglück, wirklich! Aber ich hab nichts mitgekriegt, war am Schlafen, Sheriff, tief und fest.“ Dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Seit meine Frau nich‘ mehr so kann, also seit sie bettlägerig is‘, muss ich mir die Abende ja irgendwie vertreiben.“
Wilkins Züge hellten sich auf. „Und der Bourbon sorgt dafür, dass Sie tief und fest schlafen, ich verstehe. Sagen Sie, hatte Russel Feinde?“
„Er war ein alter, sturer Bock. Hab mal gehört, er soll Streit gehabt haben mit seinem Bruder … ging wohl um das Grundstück. Der war erst kürzlich hier … kann gestern gewesen sein oder letzte Woche. Weiß nicht mehr genau.“
„Hat er sich selbst was angetan?“
„Nä, so‘n Typ war er nicht, das passt nicht.“
Wilkins notierte sich noch den Namen des Nachbarn – Robert Burns –, bedankte sich schließlich und ging zurück zu seinem Wagen. Die Vibration seines Handys riss ihn aus den Gedanken. Es war der Gerichtsmediziner – die Obduktion war abgeschlossen. Doch statt sich die Ergebnisse am Telefon anzuhören, bat der Sheriff um eine halbe Stunde. Er wollte sich vor Ort selbst ein Bild machen. So viel Zeit musste sein.
Das Gerichtsgebäude von Marble Rock war ein unscheinbarer Kolonialbau, der die besten Zeiten längst hinter sich hatte. Die Gerichtsmedizin war im Keller untergebracht. Der Ort glich einem Gewölbe: Die nackten Mauern und verschlungenen Gänge wirkten wie aus einem Gruselkabinett. Der Autopsieraum war karg eingerichtet, mit einigen wenigen Edelstahlschränken und insgesamt drei Untersuchungstischen. Ganz rechts lag der entstellte Körper des Toten, daneben stand Doug Clark, der Gerichtsmediziner.
„Dann schieß mal los!“, sagte Wilkins.
„Wir haben es hier auf den ersten Blick mit einer klassischen Feuerleiche zu tun. Der Tote ist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.“
„Das ist offensichtlich. Können wir seine Identität bestätigen?“
„Ja, ich habe den Kiefer analysieren lassen. Es ist, da bin ich mir ziemlich sicher, der Mann, der auch in dem Haus gelebt hat. Wie hieß er noch gleich … Russel, richtig?“
Wilkins nickte. „Okay. Todesursache?“
„Schwierig. Ich habe mir den Leichnam genau angesehen. Eine Sache hat mich gewundert: Ich konnte keinen Rauch in der Lunge feststellen.“
„Er war also schon vorher tot?“
„Das halte ich zumindest für denkbar. Das Problem ist: Für alle anderen Analysen ist der Körper durch die Flammen zu stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Ich bekomme da einfach keine belastbaren Ergebnisse raus.“
„Alles klar. Danke, Doug.“
Die Gedanken rotierten in Wilkins Schädel wie ein außer Kontrolle geratenes Karussell. Was, wenn … Noch einmal fuhr er zum Tatort. Der Nachmittag war bereits angebrochen und ein strammer Wind trieb nun die dichte Wolkendecke über das Farmland. Pete Johnson schien bereits auf Wilkins zu warten. Der Detective öffnete die Tür des Wagens und fixierte seinen Blick.
„Wenn du mich fragst, Bill, hat er seiner Sache selbst ein Ende gemacht. War wahrscheinlich nicht mehr ganz richtig im Kopf. Er war in der Nachbarschaft nicht sonderlich beliebt, hatte Streit mit jedem. Das schlägt aufs Gemüt.“
Der Sheriff stemmte nachdenklich die Hände in die Seiten. „Selbstmord?“ murmelte er und ging die Sache noch einmal im Kopf durch. Der Kerzenständer. Der Kassenzettel. Die Aussagen der Nachbarn. Den Bericht des Gerichtsmediziners.
Johnson sah ihn fragend an. „Oder was glaubst du, Bill?“
Jetzt sind Sie gefragt. Was glauben Sie, wie ist der alte Oscar Russel zu Tode gekommen? War es wirklich Selbstmord? War es ein tragischer Unfall? Oder war es gar Mord?
>> Die Lösung inkl. der gesamten Rätselgeschichte können sie unterhalb dieses Textes als kostenlose PDF-Datei ausdrucken.
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